Joachim Haubrich
schrieb am 27. März 2025 um 3.19 Uhr
Und Heiko ging zum Regenbogen …
Sein Begräbnistag streift dicht den Sterbetag seiner Mutter. Sie war geboren in Kiel, hat an der See das Licht der Welt erblickt. Dort, wo die Segelschiffe dem flachen Meer in farbenfrohen Paraden ihre imposanten Kronen aufsetzen. Dort, wo über dem Wasser die Störche in freier Luft majestätisch ihre Kreise ziehen. Als sie später ihren Heiko im feucht-frohen Mainz zur Welt brachte, brauchte es keine Störche. Und doch: Er war so rank und schlank, dass sie gerne von „Storchenbeinen“ sprach. Ein wahrer Springinsfeld mit sonnigem Gemüt. Welch unbeschwerte, selige Zeiten! Im Nachhinein erscheinen sie irgendwie auch wie eine falsche Versprechung, eine Täuschung gar: Die langen Beine wurden im mittleren Alter dick und dicker. Eines so dick wie vorher beide zusammen. Ihre Zunahme wurde zum Gradmesser für die Abnahme seiner Lebenstage. Jetzt sind sie so dürr, dass sie in ein Grab, in eine Urne passen. Am Grab seiner Eltern hat er jeden Sonntag mit seinem Feuerzeug eine Kerze angezündet. Manchmal blieb er noch länger, in der Stille des Ortes vertieft in sein geliebtes Handy, sein googlendes Guckfenster zur großen Welt. Nicht spielend, eher schreibend, meist forschend, vielleicht suchend. Stets neugierig, wissbegierig, interessiert an allem. Auch über das wirkliche Leben hinaus: in zahllosen Büchern, gern auch in Filmen und Fiction. Offen für alles, weltoffen. Sein letztes Profilbild war das Monument der weltumsegelnden „Entdecker“ am Hafenausgang von Lissabon. Ein Andenken an seine letzte große Reise: ein denkwürdiger Aufbruch in unbekannte Fernen. Furchtlose Welteroberer aus allen Jahrhunderten, vereint in einem haushohen Boot aus unverwüstlichem Beton. Zeitlose Sucher, mutvolle Abenteurer: forsch, entschlossen, euphorisch gar. In die See stechend, und zwar himmelwärts, ja himmelstürmend: geradezu siegesgewiss, fast triumphal. Volle Kraft voraus! Und auf dem Display ein weiter Blick voraus: Hochgeladen mitten im stillen Todeskampf. Der tapfere Kämpfer wusste, was ansteht. Er wusste, was kommt. Er wusste nur noch nicht, wo er ankommt. Auch wenn er in jungen Jahren mit der Marine alle Meere bereist, alle Ufer betreten hat – dort war er noch nicht. War noch niemand von uns. Und noch niemand kam zurück. Vielleicht ist es dort ja schöner als hier. So möge er auf seiner weiten Reise jenseits des Regenbogens all das entdecken, was er gesucht hat. Und all die Lichter, die er zeitlebens für andere angesteckt hat, mögen nunmehr für ihn selber flackern. All die Funken, mit denen er andere entflammt hat, mögen ihm seinen guten Weg leuchten: seinen Kurs in jenen Hafen, wo die Sonne nicht untergeht. Wo niemand untergeht ...
Eine glückende Überseereise, mit der stets schützenden Handbreit Wasser unterm Kiel, Du wackerer Lebens- und Sterbensheld!
Jimmy
